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Nach knapp 10 Jahren Reallabor-Forschung, -Praxis[1] und -Diskurs soll die Tagung einen Zwischenstand abbilden („Wo stehen wir heute mit den Reallaboren?“) sowie aktuelle, drängende konzeptionelle, methodische wie ganz praktische Fragen aufwerfen und in unterschiedlichen Formaten beleuchten. Dabei ist es uns ein Anliegen, dass sowohl die Perspektiven und Erfahrungen der Wissenschaft als auch der Praxis in der Tagung Ausdruck finden.
Unsere Gesellschaften stehen am Anfang multipler und tiefgreifender Wandlungsprozesse. Im Zentrum steht dabei die „Große Transformation“ (WBGU 2011)[2] unserer Lebens- und Wirtschaftsweisen: der umfassende und programmatische Umbau hin zu einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Gesellschaft. Diese Transformation unterscheidet sich von anderen (vgl. z. B. Polanyi 1944)[3] darin, dass sie in höherem Maße intendiert ist, bewusst herbeigeführt wird und buchstäblich not-wendig erscheint. Bis dato ist diese Transformation allerdings eine ins Ungewisse: Zukünftige Zustände, auch im Rahmen erwünschter nachhaltiger Entwicklungen, sind – bei aller Vorausschau und Planung – in vielerlei Hinsicht offen und der Tiefe der zu erfolgenden Änderungen sowie der Komplexität unserer (globalen, globalisierten) Gesellschaft nach in Teilen kaum abseh- oder überhaupt vorstellbar. Die ersehnte Geschwindigkeit der Transformation trifft allenthalben auf Hürden, seien dies Bestandsschutz, Partikularinteressen, Kapazitätsgrenzen, Zielkonflikte oder auch Egoismen oder Angst vor Veränderung. Hinzu kommt, dass die Eigenzeiten organisatorischer, gesellschaftlicher und kultureller Wandlungsprozesse die Dringlichkeit der Transformation konterkarieren (s. Klimakrise). Wurden im Zuge der Nachhaltigkeitsforschung (-politiken und -praktiken) der letzten Jahrzehnte durchaus Schritte unternommen und fundiertes System-, Ziel- und Handlungswissen erarbeitet, so bleibt die methodische Frage: „Wie (gut) transformieren?“ im Konkreten, in der Praxis dann oft noch unbeantwortet.
Reallabore, die im Kontext transformativer Nachhaltigkeitsforschung entstanden sind, zielen in ihrer originären Intention als Einrichtungen, Orte und Werkzeuge einer Nachhaltigkeitstransformation darauf ab, diesen tiefgreifenden Wandel konkret, vor Ort und ganz praktisch zu unterstützen – und zu beschleunigen. Wesentlicher Ansatzpunkt ist dabei, Wissenschaft und Praxis in transdisziplinären Settings und transformativen Prozessen eng miteinander zu verknüpfen. Die Wissenschaft, bzw. Forscherinnen begeben sich dabei selbst in Wandlungsprozesse, sind an diesen beteiligt. Praxisakteure setzen derweil Themen und forschen aktiv mit, so dass bestenfalls beide Akteure von den Ergebnissen profitieren.
An der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft operiert auch das jüngst gegründete Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel (KAT). Im Austausch mit dem Netzwerk Reallabore der Nachhaltigkeit organisiert es die Tagung. Aufbauend auf den Erfahrungen, Kompetenzen und Strukturen des Reallabors Quartier Zukunft – Labor Stadt gestaltet, erforscht und begleitet das KAT die vielfältigen Transformationen hin zu einer Kultur der Nachhaltigkeit.
Die zweitägige Tagung im Karlsruher „Südwerk“ ist entlang der Themenfelder in sieben parallelen Strängen organisiert. Neben den 20 thematischen Sessions mit Vorträgen und Diskussion geben 17 Workshops Gelegenheit zur Vertiefung von Themen oder auch zur Erarbeitung von Produkten. Ein „Transformationsatelier“ zeigt als ständige Ausstellung und Begegnungsort Spannendes und Buntes aus den Reallaboren. Und im Begleit- und Abendprogramm werden Aktionen und freie Formate rund um Transformation aus Kunst, Kultur oder Kontemplation im und um das Südwerk stattfinden. Des Weiteren ist auch das „MobiLab“ (Mobile Partizipationslabor) des KAT vor Ort und kann (spontan) genutzt werden.
Die Tagung startet am Vormittag des 2. Juni mit einer Schulung für Reallabor-EinsteigerInnen und Interessierte. Musik und eine Podiumsdiskussion werden die Tagung dann am Mittag offiziell und thematisch eröffnen. Abends wird die Gründung des Karlsruher Transformationszentrums (coronabedingt physisch nach-)gefeiert, und ein „Bunter Abend“ lässt viel Raum für Austausch. Am 3. Juni wird der inhaltliche Diskurs fortgesetzt und im Anschluss an die Tagung findet am Nachmittag das Netzwerktreffen „Reallabore der Nachhaltigkeit“ statt. Das aktuelle Programm zur Tagung sowie weitere Informationen finden Sie hier auf der Tagungsseite.
Im Nachgang der Tagung wird ein Special Issue in einer referierten Fachzeitschrift entstehen (z.B. GAIA-Sonderheft), das ausgewählte Beiträge der Tagung abbildet.
Die Tagung richtet sich an Forscherinnen und Praktiker, an Stadt- und Regionalentwicklerinnen, Transformateure, Visionäre und Interessierte und wird in mehreren parallelen Sessions folgende Themenfelder abbilden:
Die Themenstränge sind sowohl offen für theoretische Erörterungen als auch für Berichte und Präsentationen aus der Reallaborpraxis und aus ähnlichen transdisziplinären Unternehmungen. Näheres zu den einzelnen Themenfeldern finden Sie im Call. Bitte ordnen Sie Ihre Beiträge einem der Themenfelder zu (Wir behalten uns vor, Ihren Beitrag ggf. einem anderen Feld zuzuordnen.)
[1] Das Protoreallabor „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ (www.quartierzukunft.de) eröffnete 2012 in Karlsruhe.
[2] WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen) (2011): Gesellschaftsvertrag für eine große Transformation. Berlin.
[3] Polanyi, K. (1944): The great transformation. New York/Toronto