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Description
3-5 Keywords (aus: Personalentwicklung,<br> Studiengangentwicklung,<br> Institutionalisierung/<br>Strukturentwicklung, Organisations-<br>entwicklung, Bildungs-<br>politik, HD Praxis,<br>Fachdidaktik/Fachkultur, <br> HD Grundlagenforschung, <br>Angewandte Forschung, <br> Wertediskurs, Internationalisierung,<br> Netzwerke, ggf. andere Schlüsselbegriffe)
Studienstart Chemie, Blended Learning, interaktive Simulationen, Physikalische Chemie, Studierendenvorstellungen.
Abstract (für alle Formate)<br>Bitte vergessen Sie nicht<br> das Format unter<br>"Presentation type"<br> am Ende dieser<br>Seite anzugeben.
Ausgangslage
Fachliche Anforderungen stellen in den Studieneingangsphasen der MINT-Fächer eine besondere Hürde dar.[1] Laut einer aktuellen Studie der Uni Bielefeld entzündet sich die fachliche Überforderung Erstsemesterstudierender der Chemie insbesondere daran, abstrakt-mathematische Konzepte in den Fächern Mathematik und Physikalischer Chemie nicht zu verstehen.[2] Als ein zentrales Problemfeld ist, analog zur Einschätzung der Studierenden, der hohe Abstraktionsgrad physikochemischer (besonders thermodynamischer) Konzepte zu betrachten.[3,4] Nach dem holistischen Paradigma von Johnstone, welches eine verknüpfende Betrachtung der makroskopischen, submikroskopischen und Repräsentationsebene der Chemie fordert,[5] stellt die inhärente Fachstruktur der Physikochemie eine Herausforderung dar. Denn physikochemische Prozesse und Phänomene ergeben sich aus einem komplexen Zusammenspiel submikroskopischer Teilchenentitäten, welches sich nicht so einfach abbilden lässt. Insgesamt fokussiert die universitäre Lehre überwiegend auf die mathematisch-algorithmische Lösung physikochemischer Probleme,[6] und fördert so das Auswendiglernen von Rechenrezepten, statt zur Entwicklung konzeptionellen Verständnisses beizutragen.[7] Es ist daher die Grundannahme der vorliegenden Studie, dass die Komplexität der Teilchenprozesse und die Vernachlässigung der submikroskopischen Betrachtung als soziochemischer Norm zu einem Mangel an molekularen Vorstellungen in Physikalischer Chemie führen.
Konzept von BIRC
Um molekulare Vorstellungen in der Physikochemie aufzubauen und diese sinnstiftend mit mathematischer Repräsentation zu verknüpfen, wurde das Konzept BIRC (Bridging Imagination and Representation in Chemistry)[8] entwickelt. Diese Online-Lerneinheiten basieren im Kern auf einer interaktiven Simulation (maßgeschneidert mit dem Interface molecular workbench next generation[9] des Concord Consortiums) mit der die Lernenden das dynamische Verhalten einer statistischen Teilchenentität untersuchen und mit mathematischer Repräsentation verbinden sollen.
Forschungsdesign
Es soll erhoben werden, inwieweit BIRC tatsächlich beim Aufbau bzw. bei der Korrektur mentaler Modelle und der Verknüpfung mit mathematischer Repräsentation wirksam ist. Dazu müssen auch die Vorstellungen der Studierenden zu Beginn der Lerneinheit aktiviert und wenn möglich ermittelt werden. Es wurden insgesamt sechs Lerneinheiten im WS 16/17 und im WS 17/18 als Teil des regulären Erstsemestermoduls „Physikalische Chemie Basis“ der Universität Bielefeld ergänzend zu den Übungsaufgaben eingesetzt und evaluiert.
In voraussichtlich bis zu N = 50 (Erhebung im WS 17/18 läuft noch) Einzelfallstudien wird dem Lernerfolg (Entwicklung der Lernervorstellungen) und der Unterstützungswirkung durch die einzelnen Lerneinheiten im Feld nachgespürt. Die geschieht in concurrent Think-Aloud-Erhebungen und retrospektiven leitfadengestützten Interviews. Die Erhebung von Nutzung, Akzeptanz, Lernerfolg und Unterstützungs-wirkung erfolgt im WS 17/18 für eine größere Stichprobe (voraussichtlich N = 120, Erhebung läuft noch) per Fragebogen im Pre-Post-Followup-Design.
Ergebnisse
Die bisher erhobenen Ergebnisse der Think-Aloud-Studien belegen, dass die BIRC-Lerneinheiten grundlegende Vorstellungen der Studierenden aktivieren. Dabei zeigt sich, dass viele Probanden unangemessene, inkonsistente oder keine Vorstellungen auf der Teilchenebene äußern. Offensichtlich gelingt der Aufbau wissenschaftlich akzeptierter Vorstellungen in den regulären Lehrveranstaltungen des ersten Semesters nur bedingt. Die Analyse des verbalisierten Lernerfolgs indiziert, dass die BIRC-Lerneinheiten den Aufbau angemessener Vorstellungen auf der submikroskopischen Ebene fördern. Auch hinsichtlich der Ebene der mathematischen Repräsentation und ihrer Verknüpfung mit der submikroskopischen Ebene verbalisieren viele Studierende Lernzuwächse. Quantitative Ergebnisse zur Nutzung und Akzeptanz im WS 17/18 liegen erst Ende Januar vor.
Diskussionspunkte
• Wie kann die quantitative Erhebung von Vorstellungen zum dynamischen Verhalten statistischer Entitäten gelingen?
• Wie lässt sich eine Einbindung der Simulationen in diskursivere, konstruktivistischere Lehrformate erreichen?
• Decken sich diese Befunde mit Erfahrungen von Lehrenden der Chemie anderer Universitäten?
Literatur
[1] U. Heublein et al., 2017, (1), Forum Hochschule. Hannover, S. 124. [2] Schwedler, S., 2017, ZfDN, 23, S. 165–179. [3] Carson, E. M. & Watson, J. R., 2002, U. Chem. Ed., 6, S. 4-12. [4] Sözbilir M., 2004, J. Chem. Educ., 81, S. 573–578. [5] Johnstone, A. H., 1991, Journal of Computer Assisted Learning, 7, S. 75-83. [6] D. Stamovlasis et al., 2005, Chem. Educ. Res. Pract.,6, S. 104–118. [7] G. E. Hernandez et al., 2014, Chem. Educ. Res. Pract., 15, S. 354-365. [8] Schwedler, S., 2017, Interaktive Simulationen im Chemiestudium: Bridging Imagination and Representation in Chemistry (BIRC). In: Maurer C, (Hrsg) Implementation fachdidaktischer Innovation im Spiegel von Forschung und Praxis. LIT Verlag, Berlin. S. 656–659. [9] Tinker, R.F. & Xie, Q., 2008, Comput Sci Eng, 10, S. 24–27.