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Seit einigen Jahren werden in der deutschsprachigen Hochschuldidaktik vermehrt Veranstaltungen zu diversitätssensibler Hochschullehre(Fußnote 1) (DSHL) angeboten, die Hochschullehrenden praxisorientierte Tipps zum Umgang mit einer – wie es oftmals heißt – immer diverser werdenden Studierendenschaft(Fußnote 2) geben wollen. Gleichzeitig sind in den vergangenen Jahren vermehrt Publikationen zu dieser Thematik erschienen, die theoretische Impulse geben, auf (hochschul-)politische oder strukturelle Rahmen-bedingungen hinweisen oder praktische Handlungsempfehlungen aussprechen (siehe bspw. Burger & Glathe, 2016; De Ridder & Jorzik, 2012; Genkova & Ringeisen, 2015; Seidel & Wielepp, 2014). Empirische Studien zu der Thematik in Bezug auf das hochschuldidaktische Setting gibt es bisher nur wenige (siehe bspw. Szczyrba & van Treeck, 2015).
Dieses Forschungsprojekt stellt es sich zur Aufgabe, ein interdisziplinäres Theoriegebilde zu erarbeiten, das durch empirische Forschungsergebnisse aus dem Setting der Hochschullehre bzw. -didaktik gestützt ist und auf dessen Grundlage sich wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für die Gestaltung hochschuldidaktischer Veranstaltungen zu DSHL ableiten lassen. Beispielhaft sei hier auf einige, noch zu verifizierende Beobachtungen verwiesen, durch die das Vorhaben inspiriert ist, sowie damit einhergehende Hypothesen und Forschungsdesiderata:
Es scheint, als werde zur Bearbeitung des Themas DSHL nur vereinzelt auf wissenschaftliche Erkennt¬nisse aus der Sozialpsychologie und der pädagogischen Psychologie zurückgegriffen, obwohl diese Disziplinen für die Bearbeitung des Themas als absolut grundlegend gewertet werden müssen. Es gilt zu verdeutlichen, warum Theorie¬bildung sowie empirische Forschungsergebnisse aus diesen Disziplinen eine Grundlage für die Bearbeitung des Themas darstellen. Zudem gilt es zu erfragen, ob und wie diese Forschungserkenntnisse in hochschul¬didaktischer Lehre genutzt werden und wie hochschuldidaktische Lehrende den Nutzen bzw. Nicht-Nutzen begründen.
Es fehlt eine sinnvolle Verflechtung von Diskursen, die unter unterschiedlichem Namen, mit unterschiedlichem Schwerpunkt oder mit Blick auf unterschiedliche Institutionen oder Zielgruppen geführt werden. So wird das Thema bspw. sowohl in Bezug auf Hochschullehre als auch schulische Lehre behandelt, doch die Diskussionen und Erkenntnisse werden nicht füreinander fruchtbar gemacht. Wenngleich die Unterschiede der beiden Lehr-Lern-Settings (Hochschule vs. Schule) in vielfacher Hinsicht sehr bedeutsam sind, kann die hochschuldidaktische Forschung in weit größerem Umfang von Erkenntnissen profitieren, zu denen die Schul-, Unterrichts- bzw. Lehrer-bildungsforschung bereits gekommen ist. (Fußnote 3)
Das methodische Vorgehen sieht vor, die Ergebnisse des literature review bei der Tagung zu präsentieren (aktueller Forschungsstand und Überblick zu hochschuldidaktischen Workshops zum Thema DSHL an deutschen Hochschulen/Universitäten). Längerfristig sind Interviews mit Expertinnen und Experten (d.h. Trainerinnen bzw. Hochschuldidaktikerinnen) sowie Workshop-Teilnehmenden geplant.
Literatur
Beutel, S.-I., Bos, W., & Porsch, R. (Hg.). (2013). Lernen in Vielfalt: Chance und Herausforderung für Schul- und Unterrichtsentwicklung. Münster: Waxmann.
Boller, S., Rosowski, E., Stroot, T. (Hg.). (2007). Heterogenität in Schule und Unterricht: Handlungsansätze zum pädagogischen Umgang mit Vielfalt. Weinheim/Basel: Beltz.
Bräu, K., Schwerdt, U. (Hg.). (2005). Heterogenität als Chance: Vom produktiven Umgang mit Gleichheit und Differenz in der Schule. Münster: LIT.
Budde, J. (Hg.). (2013). Unscharfe Einsätze:(Re-) Produktion von Heterogenität im schulischen Feld. Wiesbaden: Springer VS.
Buholzer, A., Kummer Wyss, A. (Hg.). (2010). Alle gleich – alle unterschiedlich: Zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. Seelze-Velber: Kallmeyer zusammen mit Klett.
Burger, C., & Glathe, A. (2016). Diversity-sensible Hochschullehre: Hintergründe und Lehrempfehlungen. In B. Berendt, A. Fleischmann, N. Schaper, B. Szczyrba & J. Wildt (Hg.). Neues Handbuch Hochschullehre (25-40). Berlin: DUZ Verlags- und Medienhaus GmbH.
De Ridder, D. & Jorzik, B. (Hg.). (2012). Vielfalt gestalten. Kernelemente eines Diversity-Audits für Hochschulen. Stifterverband für die deutsche Wissenschaft. Essen: Edition Stifterverband, Verwaltungsgesellschaft für Wissenschaftspflege mbH.
Faulstich-Wieland, H. (Hg.). (2011). Umgang mit Heterogenität und Differenz: Professionswissen für Lehrerinnen und Lehrer. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
Fischer, C., Veber, M., Fischer-Ontrup, C., & Buschmann, R. (Hg.). (2015). Umgang mit Vielfalt: Aufgaben und Herausforderungen für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Münster: Waxmann.
Genkova, P., & Ringeisen, T. (Hg.). (2015). Handbuch Diversity Kompetenz. Springer Fachmedien.
Seidel, S., & Wielepp, F. (Hg.). (2014). Diverses: Heterogenität an der Hochschule. Journal für Wissenschaft und Bildung, 2. Institut f. Hochschulforschung Wittenberg.
Sliwka, A. (2010). From homogeneity to diversity in German education. In OECD (Hg.), Educating teachers for diversity – Meeting the challenge (S. 205–217). Heruntergeladen von http://www.oecd.org/berlin/44911406.pdf
Szczyrba, B. & van Treeck, T. (2015). Educational Diversity. Anlass und Potenzial für Lehrkompetenzentwicklung. In: Klages et al. (Hg.), Gestaltungsraum Hochschullehre. Potenziale nicht-traditionell Studierender nutzen. Opladen, Berlin, Toronto: Budrich UniPress Ltd.
Tillmann, K. J., & Wischer, B. (2006). Heterogenität in der Schule: Forschungsstand und Konsequenzen. In Pädagogik, 3, 44–48.
Trautmann, M., & Wischer, B. (2011). Heterogenität in der Schule. Eine kritische Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Wischer, B. (2007). Heterogenität als komplexe Anforderung an das Lehrerhandeln. In S. Boller, E. Rosowski, & T. Stroot (Hg.), Heterogenität in Schule und Unterricht: Handlungsansätze zum pädagogischen Umgang mit Vielfalt (S. 32–41). Weinheim/Basel: Beltz
Wischer, B. (2013). Konstruktionsbedingungen von Heterogenität im Kontext organisierter Lernprozesse: Eine schul-und organisationstheoretische Problemskizze. In J. Budde (Hg.), Unscharfe Einsätze: (Re-)Produktion von Heterogenität im schulischen Feld (S. 99–126). Wiesbaden: Springer VS.
Onlinequellen
https://www.bmbf.de/de/umfrage-mit-rekordbeteiligung-4401.html (zuletzt aufgerufen 19.10.2017)
Dr. Claudia Burger
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Arbeitseinheit Pädagogische Psychologie
Psychologie des Lehrens und Lernens im Erwachsenenalter
Interdisziplinäres Kolleg Hochschuldidaktik – IKH
Arbeitsstelle Service Learning
Fußnoten:
1)Dabei werden neben Diversität/Diversity verschiedene Termini wie bspw. Vielfalt, Heterogenität oder Inklusion genutzt. Es gilt zu untersuchen, inwiefern die Begriffe synonym genutzt und welche Konzepte den Begriffen zugrunde gelegt werden.
2)So heißt es bspw. in der Pressemitteilung zur 21. Sozialerhebung des Studentenwerks vom 27.06.2017, „dass die Studierenden als Gruppe insgesamt diverser und heterogener werden“ (https://www.bmbf.de/de/umfrage-mit-rekordbeteiligung-4401.html).
3)Um diese Beobachtung anschaulicher zu machen, sei hier exemplarisch auf eine Reihe von Publikationen zum Thema „Umgang mit Heterogenität“ in Bezug auf das Schulsetting verwiesen, die zumindest Impulse für die Diskussionen zu DSHL in der Hochschullehre bzw. Hochschuldidaktik geben könnten: Beutel, Bos & Porsch, 2013; Boller, Rosowski & Stroot, 2007; Bräu & Schwerdt, 2005; Budde, 2013; Buholzer & Kummer Wyss, 2010; Faulstich-Wieland, 2011; Fischer, Veber, Fischer-Ontrup & Buschmann, 2015; Sliwka, 2010; Tillmann & Wischer, 2006; Trautmann & Wischer, 2011; Wischer, 2007; Wischer, 2013.
3-5 Keywords (aus: Personalentwicklung,<br> Studiengangentwicklung,<br> Institutionalisierung/<br>Strukturentwicklung, Organisations-<br>entwicklung, Bildungs-<br>politik, HD Praxis,<br>Fachdidaktik/Fachkultur, <br> HD Grundlagenforschung, <br>Angewandte Forschung, <br> Wertediskurs, Internationalisierung,<br> Netzwerke, ggf. andere Schlüsselbegriffe)
HD Praxis, Angewandte Forschung