February 27, 2018 to March 2, 2018
Karlsruher Institut für Technologie
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Welches Lehrverhalten zeigen geschulte Tutor/innen? Eine explorative Analyse selbst- und fremdwahrnehmungsbasierter Reflexionsberichte

Feb 28, 2018, 5:15 PM
1h
Geb. 20.30 SR -1.009 (UG) (Karlsruher Institut für Technologie)

Geb. 20.30 SR -1.009 (UG)

Karlsruher Institut für Technologie

Beitrag für Impulsforum Impulsforum 10

Speakers

Ms Jenny Alice Rohde (Technische Universität Hamburg)Dr Nadine Stahlberg (Technische Universität Hamburg)

Description

Der Einsatz von Tutor/innen in der universitären Lehre ist weit verbreitet. Um sie auf die Übernahme von Lehraufgaben vorzubereiten, ist ihre Schulung von großer Bedeutung. Es hat sich gezeigt, dass geschulte Tutor/innen über ein höheres Niveau von didaktischem Wissen, selbsteingeschätzter Kompetenz und Selbstwirksamkeit verfügen (Glathe, 2017). Weitere Untersuchungen stützen sich meist allein auf Evaluationsbögen (Gerald, 2015), die jedoch vorwiegend die Zufriedenheit erfassen und keinen Aussagewert über den Praxistransfer enthalten. Dieser Beitrag schließt diese Forschungslücke, indem er 44 Hospitationsberichte hinsichtlich der Frage analysiert, welche Schulungsinhalte umgesetzt werden. Die Auswertung anhand der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring, 2010) beinhaltet sowohl die Selbsteinschätzung des/der Tutor/in als auch die Fremdeinschätzung des/der Hospitanten/in. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass die Tutor/innen viele Schulungsinhalte in ihren Tutorien umsetzen: Insbesondere das zentrale Schulungsziel einer die Studierenden aktivierenden Lehrgestaltung zeigt sich in ihrem Lehrverhalten. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Sinne der Organisationsentwicklung in die Fachwissenschaften zurückgespiegelt, um gemeinsam Handlungsstrategien abzuleiten.

3-5 Keywords (aus: Personalentwicklung,<br> Studiengangentwicklung,<br> Institutionalisierung/<br>Strukturentwicklung, Organisations-<br>entwicklung, Bildungs-<br>politik, HD Praxis,<br>Fachdidaktik/Fachkultur, <br> HD Grundlagenforschung, <br>Angewandte Forschung, <br> Wertediskurs, Internationalisierung,<br> Netzwerke, ggf. andere Schlüsselbegriffe)

Personalentwicklung, Organisationsentwicklung, HD Praxis, Fachdidaktik/Fachkultur

Abstract (für alle Formate)<br>Bitte vergessen Sie nicht<br> das Format unter<br>"Presentation type"<br> am Ende dieser<br>Seite anzugeben.

Der Einsatz von Tutor/innen in der universitären Lehre ist weit verbreitet. Ihre Tätigkeit ist anspruchsvoll und sie tragen große Verantwortung in der Gestaltung studentischer Lernprozesse. Eine hochwertige Qualifizierung und Begleitung der Tutor/innen ist daher sehr wichtig. Es hat sich gezeigt, dass geschulte Tutor/innen über ein höheres Niveau von didaktischem Wissen, selbsteingeschätzter Kompetenz und Selbstwirksamkeit verfügen (Glathe, 2017).
Weitere Untersuchungen stützen sich meist allein auf Evaluationsbögen (Thumser-Dauth, 2012). Diese erfassen jedoch vorwiegend die Zufriedenheit und enthalten keinen Aussagewert über den Praxistransfer. Um diese Forschungslücke zu schließen, wurde untersucht, welche Verhaltensweisen geschulte Tutor/innen in ihrer Lehrpraxis zeigen.

An der Technischen Universität Hamburg (TUHH) wird eine vom bundesweiten Netzwerk Tutorienarbeit akkreditierte Fachtutorenschulung durchgeführt. Die Teilnehmer/innen sind v. a. in Grundlagenfächern wie Mechanik, Elektrotechnik oder Informatik tätig. Das Hauptziel der Schulung besteht darin, die Tutor/innen zu einer aktivierenden Lehrgestaltung zu befähigen, da dies der Empirie zufolge zu den größten Lernerfolgen führt (Freeman et al., 2014; Schneider & Preckel, 2017). Durch eine starke Zusammenarbeit mit den für die Tutor/innen zuständigen Instituten werden individuelle Bedingungen und Erfahrungen aus den Fachwissenschaften einbezogen und mit Erkenntnissen aus der Bildungsforschung zusammengebracht.
Im Rahmen der Schulung führen die Tutor/innen Peer-Hospitationen durch. Anschließend beschreiben sowohl die Tutor/innen (Selbsteinschätzung) als auch die Hospitant/innen (Fremdeinschätzung) das gezeigte Lehrverhalten. Für diese Studie wurden die Hospitationsberichte von 40 Tutor/innen aus zwei Semestern analysiert. Die Auswertung erfolgte anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010). Hierbei wurden nur solche Äußerungen kodiert, die das tatsächliche Umsetzen in der hospitierten Übungssitzung beschreiben. Weiterhin wurde die Interraterreliabilität bestimmt und ist mit einem Cohens Kappa Wert von 0,84 als sehr gut zu bewerten.

Anhand der Selbst- und Fremdeinschätzung konnten Lehrverhaltensweisen identifiziert werden, die in der Schulung behandelt wurden. Die Tutor/innen und Hospitant/innen beschreiben sowohl Aktivierungsmethoden als auch die Berücksichtigung verschiedener didaktischer Prinzipien.
Die Oberkategorie Aktivierungsmethoden besteht aus den Kategorien Aktivierungsfragen, Aktivierung durch Eigenarbeit und Interaktion sowie Prinzip der Minimalen Hilfe nach Zech (1977). Wenn man die Selbst- und Fremdeinschätzung zusammenfasst, geht aus den Berichten hervor, dass die Tutor/innen meistens mehrere Lehrverhaltensweisen gezeigt haben, die unter Aktivierungsmethoden fallen. Ferner wird in fast allen Berichten darauf eingegangen, dass die Tutor/innen, sich darum bemühen, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, ihre Teilnehmer/innen gut zu betreuen und strukturierende Interventionen, wie z. B. das Zusammenfassen von Zwischenergebnissen einzusetzen. Mehr als Dreiviertel beschreiben zudem, dass das Vorwissen bzw. Arbeitstempo der Teilnehmer/innen berücksichtigt, der Medieneinsatz nach didaktischen Aspekten gestaltet wird und die Tutor/innen sich Feedback zum Verständnis bzw. ihrem Lehrverhalten einholen. Die Verdeutlichung der Relevanz der Inhalte und ihre Veranschaulichung mithilfe von Praxisbeispielen und/oder Gegenständen werden ca. in der Hälfte der Berichte thematisiert. Aus knapp einem Fünftel der Berichte geht hervor, dass der Stoffumfang nach dem Prinzip der didaktischen Reduktion angepasst wird.
Allerdings ist sowohl eine Überschätzung des Transfers möglich aufgrund von sozialer Erwünschtheit als auch eine Unterschätzung, da nur der Transfer in lediglich einer Sitzung ausgewertet werden konnte, den die Tutor/innen von sich aus genannt haben.
Insgesamt scheint das zentrale Schulungsziel einer die Studierenden aktivierenden Lehrgestaltung von den Tutor/innen jedoch sowohl verstanden worden zu sein als auch im Lehrverhalten umgesetzt zu werden. Dieses positive Bild der tutoriellen Lehrqualität stimmt mit der überdurchschnittlich positiven Bewertung der Tutorienarbeit an der TUHH durch die Studierenden überein (Willige, Woisch, Grützmacher & Naumann, 2015a & b).
Die gewonnenen Erkenntnisse sollen im Sinne der Organisationsentwicklung in die Fachwissenschaften zurückgespiegelt werden, um gemeinsam Handlungsstrategien abzuleiten.

Literatur

Freeman, S., Eddy, SL., McDonough, M., Smith, MK., Okoroafor, N., Jordt, H. & Wenderoth, MP. (2014). Active learning increases student performance in science, engineering, and mathematics. Proc Natl Acad Sci USA 111, S. 8410–8415.

Glathe, A. (2017). Effekte von Tutorentraining und die Kompetenzentwicklung von MINT-Fachtutor*innen in Lernunterstützungsfunktion. Darmstadt: Technische Universität Darmstadt. [noch unveröffentlichte Dissertation].

Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 11. akt. und überarb. Aufl. Weinheim/Basel: Beltz.

Thumser-Dauth, K. (2012): Und was bringt das? Evaluation hochschuldidaktischer Weiterbildung. In: Behrendt, B.; Wildt, J.; Szczyrba, B. (Hrsg.): Neues Handbuch Hochschullehre. Bonn: Raabe, L 1.11.

Schneider, M., & Preckel, F. (2017). Variables associated with achievement in higher education: A systematic review of meta-analyses. Psychological Bulletin, 143(6), 565–600.

Willige, J.; Woisch, A.; Grützmacher, J. & Naumann, H. (2015a). Randauszählung Studienqualitätsmonitor 2014, Technische Universität Hamburg-Harburg, Online-Befragung Studierender im Sommersemester 2014, DZHW – Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung.

Willige, J.; Woisch, A.; Grützmacher, J. & Naumann, H. (2015b). Randauszählung Studienqualitätsmonitor 2015, Technische Universität Hamburg-Harburg, Online-Befragung Studierender im Sommersemester 2015, DZHW – Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung.

Zech, F. (1977). Grundkurs Mathematikdidaktik: theoretische und praktische Anleitungen für das Lehren und Lernen im Fach Mathematik. Weinheim: Beltz.

Primary author

Ms Jenny Alice Rohde (Technische Universität Hamburg)

Co-author

Dr Nadine Stahlberg (Technische Universität Hamburg)

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